Wurde die Eroberung Konstantinopels authentisch prophezeit?

Jul 17, 2022Artikel

Die Eroberung Konstantinopels

Die Eroberung der Stadt Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, ist Gegenstand verschiedener Überlieferungen. In diesem Beitrag werden einige Hadithe ihrer Authentizität nach aufgeführt. Einige Schwache Hadithe werden zuerst genannt, woraufhin authentische Hadithe folgen.

Schwache Hadithe

1. Der bekannte Hadith von Bišr al-Ġanawī, der überliefert, dass der Prophet (ṣ) sagte: „Konstantinopel wird gewiss erobert werden. Welch ein guter Führer ihr Führer sein wird und welch eine gute Armee ihre Armee sein wird.“[1]

Dieser Hadith, dreht sich um Zaid b. al-Ḥubāb, der sagte: „al-Walīd b. al- Muġīra al-Maʿāfirī hat es mir überliefert.“ Die Überlieferer waren sich hinsichtlich des Namens des Scheichs von al-Walīd in dieser Überlieferungskette uneinig. Es heißt beim Musnad von Imam Ahmad:

„ʿAbdullāh b. Bišr al-Ḫaṯʿamī über seinen Vater.“[2]2 Bei aṭ-Ṭabarānī heißt es: „ʿAbdullāh b. Bišr al-Ġanawī über seinen Vater.“[3] Es wurde ebenso gesagt: „ʿUbaydullah b. Bišr al-Ḫaṯʿamī über seinen Vater[4] oder „Abū Bišr Al-Ġanawī über seinen Vater.“

Darüberhinaus ist wenig über die beiden Tradenten Abdullah/ʿUbaydullah und seinem Vater bekannt. Hadithgelehrte wie al-Buḫārī,[5] Muslim[6] und Ibn Ḥibbān[7] sagen es ist ʿUbayd b. Bišr al-Ġanawī. Dabei erwähnten sie weder Lob noch Kritik. Auch über sein Vater Bišr al- Ġanawī ist wenig bekannt.[8] Die Gelehrten erwähnen auch für ihn weder Lob noch Kritik. ʿAlī b. al-Madīnī sagte: „Der Tradent des Hadithes ist unbekannt.“[9] Al-Ḫaṭīb al-Baġdādī sagte: „Zaid b. al-Ḥubāb war der Einzige, der diesen Hadith von ihm (also von al-Walīd b. al-Muġīra al-Maṣrī) überlieferte und Abu Saʿīd b. Yūnus erwähnte, dass dieser Hadith nicht unter den Ägyptern über ihn ist“.[10]

Aufgrund dieser Verwirrungen, unterschiedlichen Angaben und ungenügenden Informationen über den Zustand der Tradenten handelt es sich hierbei um eine schwache Überlieferungskette, weshalb al- Albani diesen Hadith als unauthentisch einstufte. Auch die Rezensenten vom Musnad Ahmad b. Hanbal stuften die Überlieferungskette des Hadithes als schwach ein.[11]

2. Es wird berichtet, das Abū Qabīl sagte: „Wir waren bei ʿAbdullāh b. ʿAmr al-ʿĀṣ als er gefragt wurde: ,Welche der beiden Städte wird zuerst erobert: Konstantinopel oder Byzanz?‘ Dann rief ʿAbdullāh nach einer Schatulle. Er sagte: ,Nimm ein Buch daraus.‘ Dann sagte er: ,Während wir um den Gesandten (ṣ) am Schreiben waren, wurde der Gesandte Allahs (ṣ) gefragt, welche der beiden Städte zuerst erobert wird, Konstantinopel oder Byzanz.‘ Er antwortete: ,Die Stadt des Heraklius erobern wir zuerst.‘“ Das bedeutet: Konstantinopel.

Diese Überlieferung wird unter anderem von Imam Aḥmad, al-Ḥākim und Ibn ʿAbd al-Ḥakam überliefert.[12]12 Sie alle führten an, dass der Hadith von Yaḥyā b. Ayyūb überliefert wurde, welcher sagte, dass Abū Qabīl ihm dies übermittelt habe. Hierbei handelt es sich aber um eine schwache Überlieferungskette, da sie zwei Mängel aufweist.

Der erste Mangel: Der Überlieferer Yaḥyā b. Ayyūb, al-Ġafiqī Abū al-ʿAbbās al-Maṣrī ist nicht vertrauenswürdig, wenn er unbekannte Hadithe überliefert. So sagte Aḥmad b. Ḥanbal über ihn: „Er hat eine schlechte Merkfähigkeit.“ Ebenso sagte er einmal: „Er macht viele Fehler. Einige seiner Hadithe wurden deshalb geleugnet.“ Abū Ḥātim sagte über ihn:

„Ihm wird Ehrlichkeit zugeschrieben, seine Hadithe werden angeführt (dokumentiert), aber sie werden nicht als Beweise herangezogen.“ Ad- Darāquṭnī sagte: „In einigen seiner Hadithe gibt es Verwirrung.“ Dann erwähnte er einige seiner Hadithe, die abgelehnt werden. Ibn ʿAdī sagte: „Wenn er über eine vertrauenswürdige Person überliefert, so sehe ich keinen verworfenen Hadith. Für mich ist er glaubwürdig und an ihm ist nichts auszusetzen.“ Yaḥyā b. Maʿīn sprach ihm Vertrauenswürdigkeit in einer Überlieferung zu und an-Nasāʾī sagte über eine andere Überlieferung: „An ihm ist nichts auszusetzen.“ Yaʿqūb b. Sufyān sagte: „Er war ein vertrauenswürdiger Ḥāfiẓ.“ Ibrāhīm al-Ḥarbī sagte: „Er ist vertrauenswürdig.“[13]

Hier finden wir auf den ersten Blick zwei gegensätzliche Beschreibungen. Auf der einen Seite wird dieser Tradent als schwach angesehen, und auf der anderen Seite wird er gelobt. In solchen Fällen besagt die Wissenschaft der Tradentenkritik, dass die Kiritk vorzuziehen ist, vor allem, weil es sich um eine begründetet Kritik (ǧarḥ mufassar) handelt.[14] In diesem Fall wird hier das Vorhandensein von Verwirrung, Ablehnung und Beeinträchtigung der Merkfähigkeit erwähnt. Die Vertrauenswürdigkeit wurde ihm also nur bezüglich der Überlieferungen zugesprochen, die nicht zu den ungewöhnlichen oder verworfenen Hadithen gehören und in denen keine Verwirrungen und Fehler bewiesen wurden. Deshalb sagte aḏ-Ḏahabī über ihn: „Er hat ungewöhnliche und verworfene Hadithe, die die Autoren des Ṣaḥīḥ meiden. Sie sonderten seine Hadithe aus. Im Allgemeinen gilt er als Ḥasan al-Hadith (akzeptabel)“.[15]

Der zweite Mangel: Auch wenn Abū Qabīl, Ḥuyaī b. Hāniʾ al-Maʿāfirī, von von Aḥmad b. Ḥanbal, Yaḥyā b. Maʿīn, Abū Zurʿa und anderen als vertrauenswürdig eingestuft wurde, kritisierten ihn andere Hadithgelehrte. Ibn Ḥibbān sagte über ihn: „Er hat Fehler gemacht.“ Er sagte auch: „Er machte manchmal Fehler“.[16] As-Sāǧī erwähnte ihn in seinem Buch der schwachen Tradenten und berichtete, dass Ibn Maʿīn ihn als schwachen Überlieferer eingestuft hat. Yaʿqūb b. Šaybah sagte: „Er hatte Kenntnisse in den Prüfungen und erbitterten Schlachten (al-malāḥim wal-fitan).[17] Ibn Ḥaǧar sagte: „Er ist schwach, weil er aus alten Büchern überliefert hat“.[18] Auch in diesem Fall ist die Kritik begründet und so dem allgemeinen Lob vorzuziehen.

Aufgrund der beiden Mängel lässt sich schlussfolgern, dass der Hadith durch seine schwache Übertragungskette als unauthentisch einzustufen ist, insbesondere angesichts der ungewöhnlichen Aussagen in seinem Text und der Tatsache, dass es die einzige Überlieferung ist, in der über die Eroberung von Rom, berichtet wird. Darüber wird in keinem der anderen authentischen Hadithe berichtet.

3. Muʿāḏ b. Ǧabal berichtet, dass der Gesandte Allahs, Friede sei mit ihm, sagte: „Die Erbauung von Bait al-Maqdis verursacht den Verfall von Medina. Und der Verfall von Medina bedeutet das Herannahen der Schlacht‘, und diese Schlacht ist die Eroberung von Konstantinopel. Die Eroberung von Konstantinopel bedeutet wiederum das Kommen des Antichristen (Daǧǧāl).‘ Dann schlug er seine Hand auf den Oberschenkel und sagte: ,Dies ist wahr, so wie es wahr ist, dass du hier bist, oder so wie es zutrifft, dass du hier sitzt.‘“ Er meinte damit Muʿāḏ b. Ǧabal.

Dieser Hadith wird von ʿAbd ar-Raḥmān b. Ṯābit b. Ṯawbān, über seinen Vater, über Makḥūl tradiert. Hierbei handelt es sich um eine schwache Überlieferungskette, aufgrund ʿAbd ar-Raḥmān b. Ṯābit. Aḥmad b. Ḥanbal sagte über ihn:

„Seine Hadithe sind verwerflich.“ Ein anderes Mal sagte er: „Er war kein vertrauenswürdiger Überlieferer.“ Auch Yaḥyā b. Maʿīn und an-Nasāʾī stuften ihn als schwach ein. Ṣāliḥ b. Muḥammad al-Baġdādī sagte: „Sie stuften seine Überlieferungen, die er über seinen Vater überlieferte, welcher über Makḥūl überlieferte, als verwerflich ein“. Diese Beurteilung widersprachen andere Gelehrte. ʿAlī bin al-Madīnī, al-ʿIǧlī und Abu Zurʿa sagten, dass an ihm nichts auszusetzen sei. Abu Ḥātim sagte: „Er ist vertrauenswürdig.“ Abū Dāwūd sagte: „An ihm ist nichts falsch.“ Abū Aḥmad b. ʿAdī sagte: „Er hatte gültige (ṣāliḥ) Überlieferungen und er gab gute (ṣāliḥ) Überlieferungen weiter und er war ein rechtschaffener Mann. Sein Vater war vertrauenswürdig.“[19]19 Jedoch ist auch in diesem Fall die begründete Kritik vorzuziehen und dies widerspricht nicht der Tatsache, dass er rechtschaffen war. Die Vertrauenswürdigkeit und Zuverlässigkeit verlangen mehr Lob und eine Widerlegung der vorhandenen Kritik, um sich durchzusetzen.

Darüber hinaus waren die Tradenten von ʿAbd ar-Raḥmān b. Ṯābit in ihrer Überlieferungswiedergabe uneinig.[20] Von Ibn Abī Šaybah wird überliefert, dass er sagte: „Abū Usāma hat uns überliefert, über ʿAbd ar- Raḥmān b. Yazīd, über Makḥūl, dass Muʿāḏ b. Ǧabal dies gesagt hat.“[21] Somit lässt sich auch hier schlussfolgern, dass dieser Hadith nicht authentisch ist.

4. Muʿāḏ b. Ǧabal überliefert, dass der Gesandte Allahs, Friede sei mit ihm, sagte: „Die größte Schlacht, die Eroberung Konstantinopels und der Auszug des Antichristen finden in sieben Monaten statt.“ Dieser Hadith wird von Imam Aḥmad, Abū Dāwūd, at-Tirmiḏī und Ibn Māǧa überliefert.[22]22 Sie alle überliefern ihn über Abū Bakr b. Abī Maryam, über al-Walīd b. Sufyān b. Abī Maryam al-Ġassānī, über Yazīd b. Quṭayb, über Abū Baḥrīya, über Muʿāḏ b. Ǧabal. 

At-Tirmiḏī stufte die Überlieferung als schwach ein, indem er sagte: „Es ist ein seltsamer (ġarīb) Hadith.“ Die Rezensenten des Musnad von Imam Ahmad sagten: „Seine Überlieferungskette ist schwach aufgrund der Schwäche von Abū Bakr. Er ist der Sohn von ʿAbdullāh b. Abī Maryam und al-Walīd b. Sufyān b. Abī Maryam. Ebenso wird die Überlieferungskette als schwach eingestuft, aufgrund des unbekannten Zustandes von Yazīd b. Quṭayb.“ Al-Albānī stufte den Hadith auch als schwach ein.

Einige authentische Hadithe

1. Abū Huraira berichtet, dass der Gesandte Allahs (ṣ) sagte: „Habt ihr von einer Stadt gehört, deren eine Seite an Land und die andere im Meer liegt. Sie sagten: Allahs Gesandter, ja. Darauf sagte er: Die letzte Stunde wird nicht eintreffen, bis siebzigtausend (Muslime) aus Banū Isḥāq sie angreifen werden. Wenn sie dort ankommen, werden sie weder mit Waffen kämpfen noch Pfeile überschütten, sondern nur sagen: „Es gibt keinen Gott außer Allah und Allah ist der Größte“, und eine Seite davon wird fallen. ­– Ṯawr sagte: Er sagte nichts außer: Die Seite, die am Meer ist. – Dann sagen sie ein zweites Mal: „Es gibt keinen Gott außer Allah und Allah ist der Größte“ und die zweite Seite wird ebenfalls fallen, und sie sagen: „Es gibt keinen Gott außer Allah und Allah ist der Größte“ und die Tore werden für sie geöffnet. Sie werden hineingehen und Kriegsbeute sammeln und während sie sie unter sich verteilen, werden sie ein Geschrei hören: ‚Wahrlich, der Daǧǧāl ist rausgekommen. So werden sie alles dort lassen und zurückgehen.“[23]

Hinweis: Es gibt Meinungsunterschiede, ob mit dieser Stadt Konstantinopel gemeint ist oder eine andere. Laut an-Nawawī ist es Konstantinopel.

2. Anas b. Mālik (r) berichtet, dass er sagte: „Die Eroberung Konstantinopels findet mit dem Aufkommen der letzten Stunde statt.“[24] Al-Albānī stufte diesen Hadith als authentisch ein. Daran erkennen wir, dass die Eroberung Konstantinopels, die in den Hadithen prophezeit wird in der Zukunft liegt.

Fazit:

Die authentischen Überlieferungen, die hinsichtlich der Eroberung von Konstantinopel erwähnt werden, sprechen von einer „besonderen“ Eroberung, die am Ende der Zeit stattfinden wird und der unmittelbar das Erscheinen des Antichristen folgt.

Endnoten:

[1] Ahmad: al-Musnad, 18957; al-Buḫārī, Tārīḫ aṣ-Ṣaġīr, S. 139; al-Ḥākim, al- Mustadrak, Bd. 4, S. 422.

[2] Ahmad: Musnad Aḥmad, Bd. 31, S. 287.

[3] aṭ-Ṭabarānī: al-Muʿǧam al-Kabīr Bd. 2, S. 38.

[4] al-Buḫārī: at-Tārīḫ al-Kabīr Bd. 2, S. 81.

[5] al-Buḫārī: at-Tārīḫ al-Kabīr Bd. 5, S. 443.

[6] Muslim: Al-Kunā wal-Asmāʾ Bd. 1, S. 609.

[7] Ibn Ḥibbān: aṯ-Ṯiqāt Bd. 5, S. 5.

[8] al-Buḫārī: at-Tārīḫ al-Kabīr, Bd. 2, S. 81; Ibn Abī Ḫayṯama: at-Tārīḫ al-Kabīr, Bd. 1, S. 92; Ibn Ḥibbān: aṯ-Ṯiqāt, Bd. 3, S. 31.

[9] aḏ-Ḏahabī: Tārīḫ al-Islām, Bd. 6, S. 146.

[10] Talḫīṣ al-Mutašābih Bd. 1, S. 183.

[11] Ahmad: al-Musnad, Bd. 31, S. 287.

[12] Ahmad: al-Musnad, Bd. 1, S. 225, al-Ḥākim: al-Mustadrak, Bd. 4, S. 555. Ibn ʿAbd al-Hakam: Futūḥ Miṣr, S. 256-257.

[13] Vgl. alle zitierten Aussagen bei: Ibn Hajar Al-Asqalani: Tahḏīb al-Tahḏīb Bd. 11, S. 187.

[14] Vgl. unseren ausführlichen Beitrag: Tradentenkritik.

[15] aḏ-Ḏahabī: Siyar Aʿlām an-Nubalāʾ Bd. 8, S. 6.

[16] Muhammad Ibn Hibban: Mašāhīr ʿUlamāʾ al-Amṣār, S.194.

[17] Ibn Hajar Al-Asqalani: Tahḏīb al-Tahḏīb, Bd. 3, S. 72.

[18] Taʿǧīl al-Manfaʿa, S. 277.

[19] Ibn Hajar Al-Asqalani: Tahḏīb al-Tahḏīb Bd. 6, S. 151.

[20] Ahmad: Musnad Aḥmad, Bd. 36, S. 352.

[21] Ibn Abī Šaybah: al-Muṣannaf Bd. 7, S. 458.

[22] Aḥmad: Musnad Ahmad Bd. 36, S. 371; Abū Dāwūd, Nr. 4295; at-Tirmiḏī, Nr. 2238; Ibn Māǧa, Nr. 4092.

[23] Muslim: Ṣaḥīḥ Muslim, Nr. 2920.

[24] At-Tirmiḏī: as-Sunan, Nr. 2239

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