Die Vorschriften und Vorzüge des Opferns (Adhā)
Zu den großen Ritualen des Islam, die Allah angeordnet hat und zu denen der Prophet ﷺ aufgerufen hat, gehört das Opfer (al-ʾuḍḥiyah). Es handelt sich dabei um das Schlachten eines Opfertieres am Opferfesttag (Yaum an-Naḥr) und an den Tagen des Taschrīq, also den drei Folgetagen. Dies geschieht aus Annäherung zu Allah – sei Er erhaben –, und sie wurde so genannt, weil sie am Vormittag (ḍuḥā) nach dem Festgebet geschlachtet wird.
Das Opfer: Ein lebendiges Gedenken an Ibrahim (a.s.)
Das Opfern wurde eingeführt, um die Sunna des Gesandten Allahs, Ibrāhīm (a.s.), zu beleben, dem Allah befahl, seinen Sohn Ismāʿīl zu opfern. Doch dann löste Allah ihn mit einem Widder ab, den Ibrāhīm (a.s.) stattdessen opferte. Allah – der Erhabene – sagt:
„Und Wir lösten ihn mit einem großartigen Schlachtopfer aus.“ [Ṣāffāt: 107]
Das Opfern ist auch ein Zeichen des Dankes gegenüber Allah für das, was Er uns von den Weidetieren (Bahīmat al-Anʿām) zur Verfügung gestellt hat. Allah sagt:
„So esst davon und gebt dem Bedürftigen und dem Bittenden. So haben Wir sie euch dienstbar gemacht, damit ihr dankbar seid. Nicht ihr Fleisch und nicht ihr Blut erreicht Allah, sondern eure Gottesfurcht erreicht Ihn.“ [Al-Ḥaǧǧ: 36–37]
Die Muslime sind sich über die Legitimität des Opferns einig, wie Allah sagt:
„Und für jede Gemeinschaft haben Wir ein Ritus bestimmt, damit sie den Namen Allahs über dem aussprechen, was Er ihnen an Vieh gegeben hat.“ [Al-Ḥaǧǧ: 34]
Das Opfern ist somit in allen Offenbarungsreligionen vorgeschrieben.
Ist das Opfern eine Sunna oder Pflicht?
Die Gelehrten sind sich uneinig, ob das Opfern eine empfohlene Sunna oder eine Pflicht ist:
Erste Meinung: Sunna
Die erste Meinung besagt, dass es eine Sunna ist. Begründet wird dies mit einem Hadith bei Muslim von Abū Huraira:
„Wenn die zehn (ersten) Tage (des Dhū l-Ḥiǧǧa) beginnen und einer von euch opfern will, dann soll er nichts von seinem Haar oder seiner Haut abschneiden.“
Das zeigt, dass das Opfern dem eigenen Willen überlassen ist – wäre es verpflichtend, hätte der Prophet ﷺ das nicht erwähnt.
Auch Abū Bakr und ʿUmar (r.a.) opferten in manchen Jahren nicht, um zu vermeiden, dass die Menschen es als verpflichtend betrachteten.
Zweite Meinung: Pflicht
Die zweite Meinung besagt, dass das Opfern Pflicht ist. Dies ist die Meinung von Abū Ḥanīfa und einer überlieferten Ansicht von Imām Aḥmad – möge Allah ihnen barmherzig sein. Auch Ibn Taymiyya bevorzugte diese Meinung. Er sagte:
„Es scheint verpflichtend zu sein. Wer es kann und es unterlässt, ist sündig.“
Begründet wird dies mit dem Vers:
„So bete für deinen Herrn und opfere!“ [Al-Kawṯar: 2]
Sowie:
„Sprich: Mein Gebet und meine Schlachtung, mein Leben und mein Tod gehören Allah, dem Herrn der Welten.“ [Al-Anʿām: 162]
Auch opferte der Prophet ﷺ zehn Jahre lang regelmäßig und zeigte das Opfern öffentlich als islamisches Ritual, indem er seine Opfer auf dem Gebetsplatz schlachtete.
Ibn ʿUṯaimīn sagte:
„Die Meinung, dass es Pflicht ist, erscheint mir überzeugender, jedoch nur unter der Bedingung der Fähigkeit. Wer nur das zum Lebensunterhalt für seine Familie hat oder Schulden hat, für den ist es nicht verpflichtend. Im Gegenteil, bei Schulden sollte man diese vorziehen.“
Dennoch ist es wünschenswert für den Gläubigen, sich daran zu halten, um dem Meinungsunterschied der Gelehrten zu entgehen.
Bedingungen für ein gültiges Opfer
1. Es muss ein Tier der Weidetiere sein – also Kamele, Rinder oder Schafe/Ziegen, gemäß dem Vers:
„…damit sie Allahs Namen aussprechen über dem, was Er ihnen an Vieh gegeben hat.“ [Al-Ḥaǧǧ: 28]
Die Reihenfolge in der Bevorzugung: Kamel > Rind > Schaf/Ziege. Ein ganzes Kamel ist besser als ein einzelnes Schaf, jedoch sind sieben Schafe besser als ein Kamel für sieben Personen.
2. Das Tier muss das erforderliche Alter erreicht haben:
– Kamele: 5 Jahre
– Rinder: 2 Jahre
– Ziegen: 1 Jahr
– Schafe: 6 Monate
3. Es muss frei von Mängeln sein, z. B.:
– Blindheit
– Lahmheit
– Gebrochene Hörner oder abgeschnittene Ohren
– Krankheit
– Magersucht (kein Knochenmark)
Wie der Prophet ﷺ sagte:
„Vier Dinge machen ein Opfer ungültig: das blinde Tier mit offensichtlicher Blindheit, das kranke mit offensichtlicher Krankheit, das lahme mit deutlicher Lahmheit und das abgemagerte, das kein Knochenmark hat.“
4. Zeitpunkt der Schlachtung: Vom Morgen des Festtags nach dem Gebet bis zum Ende des dritten Tages von Taschrīq. Wer vorher schlachtet, dessen Opfer ist ungültig.
Weitere Regelungen rund um das Opfer
- Wer in den zehn Tagen opfern möchte, soll weder Haare noch Nägel schneiden – gemäß dem Hadith bei Muslim.
- Das beste Tier ist ein „geflecktes, gehörntes Widderlamm“, wie der Prophet ﷺ opferte.
- Ein Schaf reicht für eine Person und ihre Familie aus. Ein Kamel oder Rind reicht für sieben Personen.
- Es ist Sunnah, das Tier zur Qibla zu wenden und beim Schlachten „Bismillah, Allahu Akbar“ zu sagen und es mit dem Gesicht zur Qibla zu legen.
- Die Schlachtung erfolgt durch das Durchtrennen der Blutgefäße im Hals. Das Tier wird mit dem linken Bein fixiert und auf die linke Seite gelegt, damit der Schlachter mit der rechten Hand leicht arbeiten kann. Kamele werden im Stehen bei festgebundener linker Vorderpfote geschlachtet.
- Die Klinge soll geschärft werden, und das Tier darf nicht vor anderen geschlachtet werden, um sein Leiden zu minimieren.
- Vom Fleisch sollte gegessen und gespendet werden. Beste Verteilung: ein Drittel essen, ein Drittel verschenken, ein Drittel spenden.
- Der Metzger darf kein Fleisch als Lohn erhalten. Er kann aus Almosen bedacht werden, aber nicht als Gegenleistung.
- Es ist besser, wenn man selbst schlachtet. Das tat auch der Prophet ﷺ. Eine Bevollmächtigung ist jedoch erlaubt.
Gilt das Opfer auch für Verstorbene?
Es gibt keinen klaren Beleg, dass der Prophet ﷺ einzeln für Verstorbene opferte. Er opferte für sich und seine Familie, was Verstorbene einschließen kann, jedoch nicht ausschließlich für Verstorbene. Wenn jemand testamentarisch festlegt, dass für ihn geopfert wird, so ist dies erlaubt.
Fazit:
Die Opfergabe (al-ʾuḍḥiyah) ist ein bedeutender Bestandteil der islamischen Glaubenspraxis. Sie vereint Spiritualität, Gehorsam gegenüber Allah, Mitgefühl gegenüber den Bedürftigen und ein lebendiges Gedenken an die Hingabe Ibrāhīms (a.s.). Ob als verpflichtende Handlung oder als betonte Sunna – für den, der dazu in der Lage ist, liegt ein großer Lohn und eine tiefe spirituelle Bedeutung darin, diese Handlung zu verrichten.
Möge Allah unser Opfer annehmen, uns zu den Aufrichtigen zählen und uns den Lohn dieser großen gottesdienstlichen Handlung zuteilwerden lassen. Und Allah sei gepriesen – der Herr der Welten. Frieden und Segen seien auf unserem Propheten Muhammad sowie seiner Familie und seinen Gefährten.