Das Thema „Eide im Islam“ mag auf den ersten Blick alltäglich erscheinen, doch birgt es in Wahrheit essenzielle Lehren für unseren Glauben und unseren Umgang miteinander. In vielen Situationen ist es verlockend, schnell bei Allāh zu schwören oder sogar bei etwas anderem, um den eigenen Worten Nachdruck zu verleihen. Doch genau hierin liegen Gefahren für unsere Frömmigkeit und unser Miteinander. Im Folgenden werfen wir einen eingehenden Blick auf drei folgenschwere Fehler beim Schwören und zeigen, wie wichtig es ist, allein Allāh die höchste Ehrfurcht zu erweisen.
Definition: Was ist ein Schwur?
Die Gelehrten definieren den Schwur (yamīn) als die Bekräftigung einer Aussage durch die Erwähnung einer erhabenen Instanz in einer bestimmten Form – meist mithilfe der Partikel waw (و), bāʾ (ب) oder tāʾ (ت). Ein Beispiel wäre: „Bei Allāh, ich werde dies tun“ oder „Bei Allāh, ich habe dies nicht getan.“
Die Begriffe „Schwur“, „Gelöbnis“, „Eid“ oder „Eide“ sind hier Synonyme und haben dieselbe Bedeutung.
Drei Fehler beim Schwören
1. Das Schwören bei jemand anderem als Allāh
Warnung vor shirk (Beigesellung)
Der Islam sieht das Schwören bei jemand anderem als Allāh als kleinen shirk (Beigesellung) an, denn ein Schwur darf nur bei dem wahrhaft Erhabenen geleistet werden – und das ist ausschließlich Allāh. Der Prophet Muḥammad (Friede sei mit ihm) sagte:
„Wer bei jemand anderem als Allāh schwört, hat kufr (Unglauben) oder shirk begangen.“ (Überliefert von Aḥmad und at-Tirmiḏī)
ʿAbd ar-Raḥmān Ibn Samura (Möge Allāh mit ihm zufrieden sein) berichtete, dass der Prophet (Friede sei mit ihm) sagte:
„Wahrlich, Allāh verbietet euch, bei euren Vätern zu schwören. Wer schwören will, soll bei Allāh schwören oder schweigen.“
(Überliefert von Muslim)
Ebenso hörte der Prophet (Friede sei mit ihm) einen Mann bei seinem Vater schwören und sagte:
„Schwört nicht bei euren Vätern. Wer bei Allāh schwört, soll die Wahrheit sagen, und wer bei Allāh beschworen wird, soll zufrieden sein. Wer nicht mit Allāh zufrieden ist, gehört nicht zu Allāh.“
(Ibn Māǧa, als authentisch eingestuft von al-Albānī)
Wer bei einer anderen Schöpfung schwört, stuft diese auf dieselbe Ebene wie Allāh. Dies ist eine Form der Beigesellung (shirk), da nur Allāh wahrhaft erhaben ist und nur bei Ihm oder einer Seiner Eigenschaften geschworen werden darf.
Beispiele gebräuchlicher, aber verbotener Schwüre
- „Bei dem Propheten“, „bei der Kaʿba“
- „Bei dem Heiligen / Wālī“
- „Bei meinem Leben“, „bei meinem Grab“, „bei meinem Kopf“
- „Bei meiner Ehre“, „bei der Ehre meiner Mutter“
- „Bei der Treue“, „bei meinem Gewissen“
- „Bei der Scheidung“, „bei meinen Augen“
All dies zählt – wenn man diese Dinge nicht für größer als Allāh hält – zum sogenannten „kleinen shirk“. Wer allerdings glaubt, die verehrte Person oder Sache sei Allāh gleich oder gar erhabener als Er, begeht großen shirk. Möge Allāh uns davor bewahren.
Der Prophet (Friede sei mit ihm) lehrte die Menschen, die versehentlich bei anderen Götzen schworen, als Sühne zu sagen: „lā ilāha illā Allāh“ („Es gibt keinen Gott außer Allāh“). So sagte er:
„Wer bei al-Lāt und al-ʿUzzā schwört, soll sagen: ‚lā ilāha illā Allāh‘.“
(Überliefert von al-Buḫārī)
2. Das häufige Schwören bei Allāh – selbst wenn es wahr ist
Ein weiterer Fehler, vor dem gewarnt wird, ist das übermäßige Schwören, selbst wenn man die Wahrheit sagt. In vielen Versammlungen, auf Märkten oder sogar in alltäglichen Gesprächen hört man, wie schnell bei Allāh geschworen wird, selbst bei Kleinigkeiten.
So sagt jemand beim Fußballschauen: „Bei Allāh, das war ein Tor“, während ein anderer gleichzeitig schwört: „Bei Allāh, das war keines.“ Im Geschäftsleben setzen manche Händler auf dauerndes Schwören, um ihre Ware an den Mann zu bringen. Dadurch wird der erhabene Name Allāhs instrumentalisiert.
Der Gesandte Allāhs (Friede sei mit ihm) sagte, überliefert von Salmān al-Fārisī (Möge Allāh mit ihm zufrieden sein):
„Drei Arten von Menschen wird Allāh weder ansprechen noch reinigen, und sie werden eine schmerzhafte Strafe erleiden: Ein alter Mann, der Unzucht begeht; ein armer Mann, der arrogant ist; und einer, der Allāh zu seiner ‚Ware‘ macht – er kauft und verkauft nicht, ohne bei Allāh zu schwören.“
(aṭ-Ṭabarānī, authentischer Isnād)
Solche Menschen sind von besonders strengen Strafen betroffen, weil sie schwerwiegende Vergehen begehen. Einer davon ist, Allāh so selbstverständlich und häufig beim Handel einzubinden, dass Sein erhabener Name entweiht wird.
Weitere Überlieferungen
- Abū Huraira (Möge Allāh mit ihm zufrieden sein) berichtet, dass der Prophet (Friede sei mit ihm) sagte:
„Vier Arten von Menschen verabscheut Allāh: Einen Händler, der ständig schwört; einen armen, hochmütigen Menschen; einen alten Mann, der Unzucht begeht; und einen ungerechten Führer.“
(an-Nasāʾī, al-Bazzār, Ibn Ḥibbān; als authentisch eingestuft von al-Albānī) - In den beiden Saḥīḥ-Werken (al-Buḫārī und Muslim) wird von Abū Huraira überliefert:
„Das Schwören bringt den Verkauf zwar voran, vernichtet aber den Segen.“
Ein Muslim sollte seine Zunge vor häufigem Schwören hüten und darin die Ehrfurcht vor Allāh zum Ausdruck bringen. Allāh sagt sinngemäß:
„Und hütet eure Eide.“ (Sure al-Māʾida, 5:89)
„Und macht Allāh nicht zum Gegenstand eurer Eide.“ (Sure al-Baqara, 2:224)
3. Das Schwören bei Allāh, obwohl man lügt (yamīn ġamūs)
Die dritte und schwerwiegendste Form des verbotenen Schwörens ist das bewusste und lügnerische Schwören bei Allāh, auch yamīn ġamūs genannt. Hierbei weiß die Person genau, dass sie lügt, trotzdem nimmt sie Allāhs Namen, um andere zu täuschen oder in Unrecht zu stürzen.
Schwere Strafe für das lügnerische Schwören
Der Prophet (Friede sei mit ihm) warnte nachdrücklich davor. So heißt es in einem Hadith, den Muslim von Abū Ḏarr (Möge Allāh mit ihm zufrieden sein) überliefert:
„Drei Arten von Menschen wird Allāh am Tag der Auferstehung nicht ansprechen, nicht auf sie schauen und sie nicht reinigen, und ihnen wird eine schmerzliche Strafe zuteil: Jemand, der seine Kleidung über die Knöchel hängen lässt, jemand, der seine Wohltaten vorhält, und jemand, der seine Ware durch einen lügnerischen Schwur verkauft.“
In Ṣaḥīḥ al-Buḫārī (überliefert von Abū Huraira) sagte der Prophet (Friede sei mit ihm):
„Drei Arten von Menschen wird Allāh am Tag der Auferstehung nicht ansehen, sie nicht reinigen, und sie werden eine schmerzliche Strafe erleiden: Jemand, der Wasser auf einem Weg hat und es einem Durstigen verweigert; ein Mann, der einen Führer nur wegen weltlicher Vorteile unterstützt – wenn er sie bekommt, ist er zufrieden, wenn nicht, ist er unzufrieden; und einer, der nach dem ʿAṣr-Gebet schwört: ‚Bei Allāh, mir wurde für diese Ware so und so viel geboten‘, obwohl dies nicht stimmt.“
Anschließend rezitierte der Prophet (Friede sei mit ihm) den Vers:
„Gewiss, diejenigen, die Allāh gegenüber ihre Verpflichtung und ihre Eide für einen geringen Preis verkaufen, für jene gibt es keinen Anteil im Jenseits; und Allāh wird nicht zu ihnen sprechen, noch zu ihnen (am Tag der Auferstehung) hinblicken und sie nicht läutern. Und sie werden schmerzhafte Strafe erleiden.“
(Sure Āl ʿImrān, 3:77)
Dieses Verhalten zerstört das Vertrauen zwischen den Menschen und ruft Allāhs Zorn hervor.
Händler als „Fuǧǧār“ (Sünder), wenn sie lügen
Der Prophet (Friede sei mit ihm) bezeichnete Händler, die zu lügnerischem Schwören und Wortbruch greifen, als „Fuǧǧār“ (Sünder). Rifāʿa Ibn Rāfiʿ (Möge Allāh mit ihm zufrieden sein) berichtet:
„Die Händler werden am Tag der Auferstehung als Sünder auferweckt, außer jene, die Allāh fürchten, ehrlich sind und ihre Versprechen halten.“
(at-Tirmiḏī, Ibn Māǧa, Ibn Ḥibbān; von at-Tirmiḏī als gut und authentisch eingestuft)
Ein Appell an Aufrichtigkeit
Demgegenüber steht das Versprechen der Erhöhung, wenn Händler ehrlich und vertrauenswürdig sind. Abū Saʿīd al-Ḫudrī (Möge Allāh mit ihm zufrieden sein) berichtet, dass der Prophet (Friede sei mit ihm) sagte:
„Der ehrliche und vertrauenswürdige Händler wird zusammen mit den Propheten, den Wahrhaftigen und den Märtyrern auferweckt.“
(at-Tirmiḏī, von al-Albānī als authentisch bewertet)
Dabei betonte der Prophet (Friede sei mit ihm):
„Die beiden Käufer haben die Wahl, solange sie sich nicht trennen. Wenn sie ehrlich sind und Klarheit bieten, wird ihr Handel gesegnet. Wenn sie jedoch lügen und etwas verheimlichen, geht der Segen ihres Geschäfts verloren.“
Wer also lügt und betrügt, begeht nicht nur Unrecht gegenüber den Menschen, sondern auch einen schweren Verstoß gegenüber Allāh.
Fazit
Das Schwören ist im Islam eine ernste Angelegenheit, da es untrennbar mit der Ehrfurcht vor Allāh verknüpft ist. Wir sollten uns daher hüten:
- Bei jemand anderem als Allāh zu schwören, da dies shirk darstellt.
- Zu häufig bei Allāh zu schwören, selbst wenn es wahr ist, um Allāhs Namen nicht zu entweihen.
- Lügnerische Eide abzulegen, da dies eine schwere Sünde ist, die Allāhs Zorn auf sich zieht und das Vertrauen unter den Menschen zerstört.
Möge Allāh uns helfen, unsere Zunge zu hüten, uns aufrichtig und ehrlich zu verhalten und stets Seine Zufriedenheit anzustreben.
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